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Nahrungskonkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen

Für die Ernährung ihrer Nachkommen benötigen sowohl Wildbienen als auch Honigbienen enorme Mengen an Blütenpollen. Das Blütenangebot in der Landschaft ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen und vielerorts herrscht Nahrungsmangel. Bei hohen Honigbienendichten und geringem Blütenangebot werden die Honigbienen zu Nahrungskonkurrenten der Wildbestäuber.

Honigbiene neben einer Gewöhnlichen Keulhornbiene (Ceratina cyanea) auf einer Flockenblume (Bild: Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf: Albert Krebs)

1. Honigbienendichten früher und heute

Natürliche vs. heutige Honigbienendichten

Die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) ist eine von rund 570 aktuell in der Schweiz lebenden Bienenarten. Ursprünglich lebte die Honigbiene hierzulande als Wildtier in Baumhöhlen. Gemäss aktuellen Studien dürften die natürlichen Honigbienendichten in der Landschaft sehr gering gewesen sein. Diese lagen bei lediglich 0.1 bis 1 Volk pro Quadratkilometer 1 , 2 , 3 , manche Schätzungen fallen sogar noch tiefer aus 4.

Heute gehört Zürich zu den Kantonen mit den höchsten Honigbienendichten in der Schweiz 5 und zählt 9.5 Völker pro km2 (Stand 2021). Die aktuellen Völkerdichten sind im Durchschnitt also 10 bis 100 Mal höher als unter natürlichen Bedingungen – lokal können sie noch deutlich darüber liegen. Hinzu kommt, dass nur geringe Abstände zwischen den einzelnen Honigbienenständen liegen. Die durchschnittliche Minimaldistanz zwischen zwei Honigbienenständen beträgt im Kanton Zürich 420 Meter 6.

Historische Entwicklung der Honigbienendichten

Schweizweit beträgt die durchschnittliche Dichte etwa 4 Völker pro km2 5. Historisch gesehen war dieser Wert auch schon grösser und erreichte während des Zweiten Weltkrieges einen Höhepunkt mit über 8 Völkern pro km2 5. Die Bedingungen in der Landschaft waren zu dieser Zeit jedoch um ein Vielfaches bienenfreundlicher als heute. So erreichten bis 1950 über 85 Prozent aller Wiesen die heutigen Standards für Biodiversitätsförderflächen mit hoher botanischer Artenvielfalt (Qualitätstufe II gemäss Direktzahlungsverordnung) 7 . Mittlerweile ist der Anteil solch blumenreicher Wiesen auf einen niedrigen einstelligen Prozentbereich geschrumpft, wodurch eine zentrale Nahrungsgrundlage für Blütenbesucher fast flächendeckend weggebrochen ist.

Honigbienen an Büschelblume (Bild: pixabay, Nennieinszweidrei)

2. Knappe Blütenressourcen

Weniger Blüten, weniger Wildbienen

Das Blütenangebot in der Landschaft ist im Verlauf der letzten Jahrzehnte drastisch zurückgegangen. Dadurch mangelt es den Bienen und anderen Blütenbesuchern an Nahrung.

Die Grösse der Wildbienenpopulationen hängt stets von den lokal verfügbaren Nahrungsressourcen und Nistplätzen ab. Aufgrund des vorherrschenden Mangels sind die Wildbienengemeinschaften heute stark verarmt. Dies trifft besonders in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten tiefer Lagen zu. Viele Wildbienenarten überleben nur noch an letzten Rückzugsorten in separierten, kleinen Populationen. Vielerorts ist ein Teil der ursprünglich vorhandenen Artenvielfalt schon gänzlich verschwunden.

Kein Plan B für Wildbienen

Im Gegensatz zu den Wildbienen wird die Population der Honigbienen heute durch die Imkerschaft reguliert und ist in der Schweiz trotz knapper Nahrungsgrundlage sehr hoch. Honigbienen überleben auch in zeitweise blütenarmen Landschaften: Bei Bedarf suchen sie die blütenreichsten Gebiete in mehreren Kilometern Distanz auf 8, können in schwierigen Zeiten auf Honigvorräte zurückgreifen und werden im Notfall von den ImkerInnen durch Fütterung oder Umsiedlung unterstützt.

Die Wildbienen sind hingegen gänzlich auf sich gestellt. Die meisten von ihnen leben nicht in Völkern und legen auch keine Vorräte an, von welchen sie in Zeiten der Knappheit zehren könnten. Auch in Bezug auf den Flugradius und das Ausweichen auf alternative Nahrungsquellen sind Wildbienen weitaus weniger flexibel.

Konkurrenz um knappe Blütenressourcen

Die Kombination aus dem generell geringen Blütenangebot und den hohen Honigbienendichten führt zur Problematik, dass die vorhandenen Blütenressourcen nicht mehr für alle Bestäuber ausreichen: Es kommt zu einer Konkurrenz um Nahrung, bei welcher die Wildbestäuber in den meisten Fällen den Kürzeren ziehen.

Grossräumig blütenarme Landschaft, die kaum Nahrung für Bienen zu bieten hat (Bild: Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf: Albert Krebs)

3. Konkurrenz um Blütenpollen

Riesiger Pollenbedarf

Wildbienen benötigen enorme Pollenmengen für die Brutversorgung ihrer Nachkommen. So braucht zum Beispiel eine sich selbst erhaltende Population der Knautien-Sandbiene mit 50 Weibchen für sich alleine knapp 1000 Pflanzen der Feld-Witwenblume 9. Wie viele andere Wildbienenarten ist auch die Knautien-Sandbiene spezialisiert und sammelt fast ausschliesslich den Pollen dieser einen Pflanzenart. Bei einer Knappheit kann sie nicht beliebig auf andere Blüten ausweichen. Früher war die Knautien-Sandbiene dank zahlreicher extensiv bewirtschafteter Wiesen häufiger, heute findet sie im Kanton Zürich nur noch wenige Rückzugsräume und ihr Fortbestand hängt von wenigen, kleinen Populationen ab.

Knautien-Sandbiene (Andrena hattorfiana) auf einer Feld-Witwenblume (Bild: Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf: Albert Krebs)

Auch Honigbienen sind für die Versorgung ihres Volkes auf eine riesige Menge an Pollen angewiesen. Ein einziges Honigbienenvolk zieht pro Saison 130’000 bis 200’000 Jungbienen auf 10 und ein starkes Honigbienenvolk sammelt allein in den (meist besonders blütenarmen) Sommermonaten von Juni bis August Pollenmengen, mit denen eine durchschnittlich grosse Wildbienenart 100ˈ000 Nachkommen versorgen könnte 11.

Weil Honigbienen ein breites Blütenspektrum nutzen, besteht eine beträchtliche Überlappung mit den Nahrungspflanzen der Wildbienen 12 , 13. Besonders problematisch ist die Konkurrenzsituation für spezialisierte Wildbienenarten, welche zwingend auf gewisse (oft nur begrenzt vorhandene) Nahrungspflanzen angewiesen sind und sich diese mit den Honigbienen teilen müssen.

Nahrungskonkurrenz zum Nachteil der Wildbienen

Die Problematik wird seit einigen Jahren zunehmend erforscht und mittlerweile stellen zahlreiche Untersuchungen fest, dass eine Nahrungskonkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen gegeben ist 14. Verschiedene ältere wie auch neuere Studien kommen zum Schluss, dass sich hohe Honigbienendichten auf mehreren Ebenen negativ auf die Wildbienenbestände auswirken:

  • Wildbienen müssen auf alternative Nahrungsquellen ausweichen und die Häufigkeit ihrer Blütenbesuche nimmt ab  15 , 16 , 17 , 18 , 19 , 20 , 21
  • Die Artenvielfalt und Individuenzahl der Wildbienen geht zurück 22 , 23 , 24
  • Die Fitness der Wildbienen-Nachkommen wird reduziert 25 , 26 , 27

Die hier angegebenen Literaturverweise sind nicht abschliessend – zusätzliche Quellen finden Sie bei den weiterführenden Informationen.

4. Konflikt in Naturschutzgebieten

Naturschutzgebiete: letzte Refugien für Wildbienen

Blüten- und strukturreiche Naturschutzgebiete wie Trockenwiesen und -weiden, dynamische Flussauen oder renaturierte Kiesgruben sind oftmals die letzten Rückzugsräume artenreicher Bienengemeinschaften und besonders anspruchsvoller Wildbienenarten. Die Blütenressourcen in Schutzgebieten sollen primär den Wildbestäubern zur Verfügung stehen und so dem Erhalt der Biodiversität dienen. Weil eine imkerliche Honigbienenhaltung mit diesen Schutzzielen in Konflikt steht, ist diese in der Kernzone von Zürcher Schutzgebieten untersagt.

Konkurrenz in schützenswerten Lebensräumen verringern

Der kantonale Zonenplan wird von den Honigbienen bei ihren Sammelflügen jedoch kaum berücksicht: Sie überfliegen die Schutzgebietsgrenzen problemlos und steuern diese besonders blütenreichen Gebiete oftmals gezielt an 28. In Landwirtschaftsgebieten weichen die Honigbienen besonders nach der Blüte der Massentrachten auf naturnahe Habitate aus, was die Konkurrenzsituation dort verschärft 29 , 30.

Wenn möglich sammeln die meisten Arbeiterinnen der Honigbiene trotzdem in der Nähe ihrer Behausung, ungefähr im Umkreis von einem Kilometer um den Honigbienenstand 31 , 32. In grösserer Distanz nimmt die Honigbienendichte deutlich ab 18 , 33.

Für den Erhalt der Wildbienenvielfalt und Biodiversität ist somit Rücksichtsnahme seitens der Imkerschaft gefragt: Eine möglichst honigbienenarme Pufferzone von 1 km rund um besonders wertvolle Schutzgebiete würde den Druck auf Wildbestäuber bedeutend verringern.

 

Blüten- und strukturreiche Schutzgebiete sind oft die letzten Rückzugsräume für artenreiche Wildbienengemeinschaften (Bild: Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf: Albert Krebs)

5. Problematische Honigbienendichten in Städten

Wildbienenvielfalt im Siedlungsraum

Städte bieten heute artenreichen Wildbiengemeinschaften einen Rückzugsraum und bergen enormes Potenzial für die Wildbienenförderung 34 , 35 , 36. Die Wildbienen profitieren vom warmen Stadtklima, der relativ geringen Pestizidlast und dem kleinräumigen Netzwerk aus blüten- und strukturreichen Flächen wie Gärten, Grünanlagen, Ruderalflächen und Rabatten. In der Stadt Zürich zum Beispiel leben rund 220 Wildbienenarten, die teilweise schweizweit selten und gefährdet sind. Allerdings sind viele dieser Arten in der Stadt nur an wenigen Standorten mit besonders günstigen Lebensbedingungen, oftmals in kleinen und fragilen Populationen zu finden.

Blütenangebot in der Stadt: Nachfrage übersteigt Angebot

Das Blütenangebot ist jedoch auch in den stark bebauten Siedlungsräumen begrenzt. Zwar gibt es durchaus noch Potenzial zur Erhöhung der Blütenmenge, dieses lässt sich jedoch nicht von heute auf morgen vollumfänglich anzapfen, zumal hier nutzungsbedingte Grenzen gesetzt sind.

Mit dem Trend zur Stadtimkerei werden seit gut zehn Jahren immer mehr Honigbienen in Siedlunsgebieten gehalten. Die durchschnittliche Völkerdichte in der Stadt Zürich beträgt 13 Völker pro km2 (Stand: 2021) – punktuell fällt sie teilweise noch deutlich höher aus. Eine Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zeigt, dass die aktuelle Honigbienenpopulation das begrenzte Blütenangebot in der Stadt Zürich schon jetzt stark übernutzt 37. Aus der Studie wird auch ersichtlich, dass das Problem mit etwas mehr Blumen nicht behoben ist: Die aktuelle Honigbienenpopulation wäre selbst bei einer Verdoppelung des Blütenangebots nicht nachhaltig 37.

Bei dieser Beurteilung wurden die Bedürfnisse der Wildbestäuber noch gar nicht berücksichtigt. Erwartungsgemäss zeigen verschiedene aktuellere Untersuchungen, dass Konkurrenzeffekte zwischen Honigbienen und Wildbienen auch in Siedlungsräumen auftreten 15 , 16 , 38.

Durch weniger Honigbienen zu mehr Biodiversität

Dank der noch grossen Wildbienenvielfalt in Städten ist davon auszugehen, dass die Bestäubung der urbanen Wild- und Kulturpflanzen von den Wildbienen problemlos gewährleistet wird. Es besteht also keine ökologische Notwendigkeit für die aktuell sehr hohen Honigbienendichten in Siedlungsgebieten. Vielmehr gibt es gut begründeten Anlass zur Sorge, dass sich der heutige Honigbienenbestand gar nachteilig auf die urbane Biodiversität auswirkt. Nicht zuletzt können zahlreiche, grundsätzlich effektive Naturschutzmassnahmen im Siedlungsraum aktuell kaum ihre volle Wirkung entfalten: Ein beträchtlicher Teil der neu angelegten Blumenwiesen und Staudenbeete kommt nicht wie intendiert der Wildfauna zugute, sondern landet unweigerlich im Honigtopf.

Aus Sicht des Wildbienen-, sowie allgemeinen Biodiversitätsschutzes wäre eine deutliche Reduktion der Honigbienenbestände in der Stadt Zürich und weiteren Siedlungsräumen generell anzustreben.

Die Schöterich-Mauerbiene (Osmia brevicornis) ist schweizweit gefährdet und kann noch in manchen Zürcher Stadtgärten beobachtet werden. Sie besucht nur grossblütige Kreuzblütler, die auch bei der Honigbiene sehr beliebt sind. (Bild: Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf: Albert Krebs)

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