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Lebensweise und Bedürfnisse

1. Eine Honigbiene und viele Wildbienen

Die meisten Leute haben eine gute Vorstellung davon, wie Honigbienen leben: Sie organisieren sich sozial in grossen Völkern mit einer Königin an der Spitze und zahlreichen Arbeiterinnen, die sich verschiedene Aufgaben untereinander aufteilen. Diese Lebensweise ist aber keineswegs stellvertretend für Bienen, sondern stellt eine absolute Ausnahme dar.

Die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) ist die einzige einheimische Bienenart, die Honig produziert. Mit der Imkerei hat der Mensch eine Methode entwickelt, um Honigbienen zu halten und ihre wertvollen Produkte zu nutzen. Daher sind heute breite Teile der Bevölkerung mit dieser Bienenart und ihrer Lebensweise gut vertraut. In der Schweiz leben aber neben der Honigbiene aktuell noch rund 570 weitere Bienenarten. Um diese von der allseits bekannten Honigbiene zu unterscheiden, hat sich für alle anderen Bienenarten (inkl. Hummeln) der Begriff „Wildbienen“ etabliert.

Die Wildbienen unterscheiden sich in ihrer Lebensweise grundlegend von der Honigbiene. Wildbienen leben in aller Regel als Einzelgänger, produzieren keinen Honig und handhaben auch sonst so einiges anders. Der folgende Artikel wirft ein kurzes Licht auf die wichtigsten Aspekte aus dem Leben der Wildbienen.

Einer Honigbienenart stehen unzählige Wildbienenarten gegenüber (Grafik: Bundesamt für Umwelt)

2. Lebensweise der Wildbienen

Im Gegensatz zur sozialen Honigbiene führen die allermeisten Wildbienen ein Leben als Einzelgänger. Man bezeichnet diese Arten auch als „Solitärbienen“. Eine solitäre Lebensweise bedeutet, dass jedes Weibchen sein eigenes Nest baut und sich um seinen eigenen Nachwuchs kümmert. Soziale Lebensweisen mit Aufgabenteilung und gemeinsamer Aufzucht der Nachkommen gibt es unter den Wildbienen nur bei Hummeln und vereinzelten weiteren Arten. Diese erreichen jedoch nicht die hohe Komplexität der Honigbienenvölker.

Die meisten Solitärbienen sind nur wenige Wochen als ausgewachsene Bienen unterwegs. Jede Art hat ihre typische Flugzeit – manche Arten findet man nur im Frühling, andere im Verlauf des Sommers und die letzten erst im Herbst.

Während der kurzen Flugzeit findet die Paarung statt und die Weibchen versuchen daraufhin möglichst viele Brutzellen zu bauen, in denen sich ihre Nachkommen entwickeln können. Sie betreiben einen grossen Aufwand für den Nestbau und die Brutversorgung, weshalb ein durchschnittliches Wildbienenweibchen in seinem Leben nur 10-20 Eier legt. Nach der kurzen und intensiven Aktivitätszeit sterben die ausgewachsenen Solitärbienen und hinterlassen im Optimalfall ein gut gefülltes Nest. In diesem entwickeln sich im restlichen Verlauf des Jahres die Nachkommen, welche sich vom gesammelten Pollen- und Nektarvorrat ernähren und im nächsten Jahr wieder zur selben Jahreszeit schlüpfen.

Typische Solitärbienen verbringen also die meiste Zeit des Jahres in einem Entwicklungs- oder Ruhestadium im Nest. Sie sind nur während weniger Wochen im Jahr draussen anzutreffen. Aufgrund der grossen Artenvielfalt finden wir natürlich trotzdem das ganze Jahr über Wildbienen in der Landschaft, je nach Jahreszeit aber unterschiedliche Arten.

3. Ernährung mit Pollen und Nektar

Blüten bilden die Nahrungsgrundlage für Wildbienen und sind für die Wildbienenförderung zentral. Bienen versorgen nicht nur sich selbst, sondern auch ihren gesamten Nachwuchs ausschliesslich mit Pollen und Nektar. Dabei steht der proteinreiche Blütenpollen im Fokus. Die Wildbienenweibchen müssen für die Versorgung jedes einzelnen Nachkommens unzählige Blüten absammeln und haben sich auf diese Arbeit spezialisiert. Im Verlauf der Evolution haben sie dafür unterschiedliche Sammeltechniken und Möglichkeiten für den Pollentransport entwickelt. Die meisten Arten transportieren Pollen mit einer speziellen Behaarung an den Hinterbeinen oder am Bauch.

Während die Honigbiene je nach Angebot unterschiedlichste Blüten nutzt, haben sich viele Wildbienenarten auf eine Pflanzenfamilie oder Pflanzengattung spezialisiert. So sammelt zum Beispiel die Glockenblumen-Scherenbiene ausschliesslich Pollen von Glockenblumen oder die Gewöhnliche Natternkopfbiene von Blüten des Natternkopfs. Wenn die benötigten Pflanzen in einem Lebensraum nicht vorkommen, kann auch die spezialisierte Wildbiene dort nicht leben.

Wildbienenreiche Lebensräume zeichnen sich immer durch ein gutes Blütenangebot aus. Dabei stehen die folgenden Aspekte im Zentrum:

  • Vielfalt der Blütenpflanzen: Damit auch spezialisierte Wildbienenarten in einem Lebensraum Nahrung finden, ist eine grosse Vielfalt einheimischer Blütenpflanzen nötig.
  • Menge der Blüten: Manche Wildbienenarten müssen für die Versorgung von nur einem Nachkommen den gesamten Pollengehalt von mehreren hundert Blüten sammeln. Grosse Wildbienenpopulationen benötigen deshalb auch eine grosse Menge an Blüten.
  • Kontinuität des Blütenangebots: Verschiedene Wildbienenarten fliegen über das Jahr verteilt zu unterschiedlichen Zeiten und soziale Arten wie die Hummeln sind ohne Unterbruch auf Blüten angewiesen. In wertvollen Lebensräumen finden Wildbienen deshalb optimalerweise durchgehend Blüten – vom Frühling bis im Herbst.

4. Nestbau in Kleinstrukturen

Wildbienen benötigen einen zentralen Wohnort, wo sie ihre Nester bauen und Schutz finden. Es ist ihr Lebensmittelpunkt, von wo aus sie unzählige Sammelflüge starten und immer wieder dorthin zurückkehren.

Die Wahl der Nistplätze und die Bauweise der Nester ist äusserst vielfältig. Grundsätzlich funktioniert der Nestbau aber immer nach dem gleichen Prinzip: Das Bienenweibchen sucht oder baut sich einen Hohlraum, in welchem es einzelne Brutzellen anlegt. Jede Brutzelle wird mit einem Pollen- und Nektarvorrat gefüllt und darauf wird ein einzelnes Ei abgelegt. Pro Brutzelle entsteht somit ein Nachkomme. Jedes Wildbienenweibchen versucht, während seines kurzen Lebens möglichst viele Brutzellen zu bauen.

Bambusröhrchen in Wildbienenhäuschen werden nur von wenigen Wildbienenarten genutzt, dienen aber gut zur Veranschaulichung des typischen Nestbaus. Zu sehen sind Brutzellen der Rostroten Mauerbiene (Osmia bicornis) mit bereits geschlüpften Larven, die sich vom Pollenvorrat ernähren. In jedem Stängel baut ein Weibchen sein eigenes Nest mit bis zu 20 Brutzellen (Bild: Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf: Albert Krebs)

 

Tatsächlich legt nur ein kleiner Teil der heimischen Wildbienenarten ihre Nester in den Hohlräumen klassischer Wildbienenhäuschen an. Für eine grosse Wildbienenvielfalt sind andere Kleinstrukturen viel wichtiger. In unserem Artikel zu den Niststrukturen für Wildbienen zeigen wir, wie Sie das Angebot solcher Nistplätze verbessern können.

Die wichtigsten Nistweisen der heimischen Wildbienenarten sind:

  • selbst gegrabene Gänge im Erdboden (der grösste Teil der Arten!)
  • vorhandene Hohlräume wie Insektenfrassgänge im Totholz
  • vorhandene Hohlräume in Mauerspalten oder zwischen aufeinanderliegenden Steinen
  • vorhandene Hohlräume in leeren Schneckengehäusen
  • selbst genagte Gänge im morschen Totholz
  • selbst genagte Gänge im Mark abgestorbener Pflanzenstängel
  • selbst gemörtelte Nester an Steinstrukturen oder auf einer pflanzlichen Unterlage
  • grössere Hohlräume wie unterirdische Mäusenester oder selbstgebaute Nester unter trockenem Gras und Moos (nur Hummeln)

5. Weiterführende Informationen

Webseiten
  • Auf wildbienen.info bringt uns der Wildbienenexperte Paul Westrich ausführlich und mit vielen Bildern die faszinierende Welt der Wildbiene näher
  •  Artikel zur Biologie der Bienen im Online Atlas der Schweizer Wildbienen mit detaillierten Fachtexten
Bücher

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